SYMPOSIUM FÜR DR. LUDWIG SCHNURRER
Symposium für Dr. Schnurrer

Historikertagung und Würdigung für Dr. Ludwig Schnurrer
Erfolg mit Symposium und hohem Anspruch

ROTHENBURG – Mit einem wissenschaftlichen Symposium (zu Ehren von Dr. Ludwig Schnurrer, der kürzlich seinen Achtzigsten feierte) setzte der Verein Alt-Rothenburg einen beeindruckenden Höhepunkt in seinem gesamten Vortragsangebot. Es war ein lehrreiches Ereignis für alle historisch Interessierten, wie man es sich öfters wünschen darf.



Kaum jemand hat sich um die wissenschaftliche Erforschung der Rothenburger Stadtgeschichte so verdient gemacht wie Dr. Ludwig Schnurrer und es steht außer Frage, dass Ludwig Schnurrer zu seinem 80. Geburtstag eine Anerkennung seitens des Vereins Alt-Rothenburg verdient hat. Mehr als 30 Jahre leitete er nebenberuflich das Stadtarchiv, hat dabei vielen Wissenschaftlern und Heimatforschern seine Hilfe und sein Wissen zur Verfügung gestellt. Und 35 Jahre war er zweiter Vorsitzender von Alt-Rothenburg, betreute die Publikationen und Vorträge des Vereins. Demnächst sind es 40 Jahre, dass er die Heimatbeilage des Fränkischen Anzeigers, „Die Linde“ herausgibt. Mit Fug und Recht kann man also sagen, dass er den Verein Alt-Rothenburg geprägt hat. Über seine Bedeutung und Verdienste als Historiker, als kritischer Erforscher etwa der Biographie Heinrich Topplers und der Meistertrunk-Legende, als Verfasser des Dinkelsbühler und Rothenburger Urkundenbuches usw. könnte man seitenlang berichten.



Unter der Federführung von Stadtarchivar Prof. Karl Borchardt hat der Verein Alt Rothenburg mit Unterstützung des Historischen Vereins von Mittelfranken und des Kriminalmuseums letztes Wochenende eine Serie von fünf Vorträgen namhafter Historiker organisiert, die Ludwig Schnurrer gewidmet waren. Am Freitagabend sprach Prof. Borchardt in der „Glocke“ über die „ratsfähigen Familien der Stadt Rothenburg“ und lieferte dabei einen vorzüglichen Überblick über die Verfassungsgeschichte der Stadt. (Ein ausführlicher Bericht folgt.) Die restlichen Veranstaltungen fand im Vortragsraum der Johanniterscheune statt, in der sich neben einem stattlichen Publikum immerhin fast ein Dutzend profilierter Historiker versammelt hatte.

Nach einer kurzen Laudatio von Archivdirektor Dr. Gerhard Rechter aus Nürnberg, der die Bedeutung des Jubilars als Archivar und Wissenschaftler würdigte, sprach Prof. Lubich (Uni Bochum) über die Territorialpolitik Rothenburgs und Schwäbisch Halls in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und ihre Beziehungen zu Graf Ulrich von Hohenlohe. Trotz ihrer scheinbar ähnlichen Ausgangslage (staufische Gründungen des 13. Jahrhunderts) verlief die Entwicklung zur Stadt unterschiedlich. Rothenburg, aus einer königlichen Residenz hervorgehend und zeitweise ein wichtiger Verwaltungsmittelpunkt des Reichs- und Stauferbesitzes, wurde von Reichsministerialen beherrscht, die nach dem Scheitern und Ende der Königsdynastie eine Politik weit über den unmittelbaren Umkreis Rothenburgs hinaus betrieben. (Vor allem ist an die Küchenmeister von Nordenberg zu erinnern.)

In Hall dagegen, das mit seinen Salzquellen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Staufer war, orientierten sich die von ihnen angesetzten Dienstmannen stärker an der sich ausbildenden Stadt, wohnten dort und trugen einen guten Teil dazu bei, dass sich Hall früher als Rothenburg zu einem bürgerlichen Gemeinwesen mit Verfassung entwickelte. Rothenburg musste dagegen erst die feudalen Fesseln abschütteln, bevor im beginnenden 14. Jahrhundert die Ausbildung der eigenständigen Kommune erfolgen konnte.

Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Rothenburg und Hall kann erst dann festgestellt werden, als sich am Ende des 14. Jahrhunderts die Herren von Hohenlohe offenbar wegen ihrer standesgemäßen Verpflichtungen derart verschuldet hatten, dass sie große Teile ihrer Ländereien und Rechte verkaufen mussten. (So etwa die Burgen Endsee und Gailnau an Rothenburg.)

Als zahlungskräftige Käufer traten die Reichsstädte und ihre wohlhabenden Bürger auf. So kam es, dass neben vielen weiteren, allerdings nur vorübergehenden Verpfändungen Ulrich von Hohenlohe Burg und Herrschaft Kirchberg an der Jagst gegen Ende des 14. Jahrhunderts an die Reichsstädte veräußern musste. Bis in die 60er Jahre des 16. Jahrhunderts blieb Kirchberg dann als Pfandschaft im gemeinsamen Besitz der Städte Hall und Rothenburg, ehe das Gebiet von den Hohenlohe wieder ausgelöst werden konnte. Prof. Lubich bot mit seinem Referat einen guten Einblick in die spätmittelalterliche Stadt- und Adelsgeschichte.



Privatdozent Rainer Leng von der Universität Würzburg stellte dann das Volkacher Salbuch von 1504 vor, das bisher der Öffentlichkeit als wichtige Bilderhandschrift bekannt war und vor allem aus volkskundlicher Sicht ausgewertet und publiziert worden ist. Dass das „Salbuch“ viel mehr ist, konnte Dr. Leng eindrucksvoll demonstrieren. Es gibt auf mehreren hundert Seiten die Verfassungswirklichkeit in einer kleinen mainfränkischen Stadt in der Zeit um 1500 wieder, es ist eine enorm bedeutsame, in Teilen einzigartige Quelle zur Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Frankens. Eine wissenschaftlich fundierte Edition des Textes wäre unbedingt zu wünschen.

Archivdirektor Dr. Andermann aus Karlsruhe, zugleich Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg, sprach über das auf den ersten Blick etwas skurril anmutende Thema „Das Huhn im Recht des Mittelalters“. Es zeigte sich dann allerdings, dass „das Huhn“ in früheren Zeiten in der bäuerlich-feudalen Welt eine außergewöhnlich wichtige Rolle spielte. (Entsprechend oft wird es in den Quellen genannt, weitaus häufiger als größere Nutztiere!) Mit der Abgabe eines oder mehrerer Fastnacht-, Sommer-, Weihnachts- oder Vogthühner mussten im Mittelalter nämlich bäuerliche Grundholden, Leibeigene oder Gerichtsuntertanen die jeweilige Obrigkeit anerkennen. Und das Jahr für Jahr, damit in einer vorschriftlichen Zeit der Anspruch des Herrn zur Geltung kommen konnte. Hühner waren dafür bestens geeignet. Sie ergänzten, weil jederzeit in kleinen Portionen verfügbar, den Speiseplan des Herrn ideal, sie waren nicht sehr kostbar und belasteten den Hörigen nicht allzusehr. Andermanns Ausflug in die „Hühnergeschichte“ vermittelte, zumal recht temperamentvoll dargeboten, einen sehr intensiven Einblick in die ländlichen Zustände des Mittelalters, das ja in vielerlei Hinsicht in Franken bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts dauerte.

Zum Abschluss der Vortragsreihe stellte Prof. Weiß, Ordinarius für fränkische Landesgeschichte an der Universität Bayreuth, die Beziehungen zwischen der Dynastie der Wittelsbacher und Franken im 19. Jahrhundert vor. Klar wurden die lange Zeit vorherrschende Abneigung der „Franken“ gegen die „Bayern“ erläutert, ebenso deutlich wurden die Bemühungen des Herrscherhauses um die neuen Provinzen im Norden aufgezeigt. Trotz vieler Kontroversen und Vorbehalte gelang es offenbar, schon lange vor dem 1. Weltkrieg die Franken mit den Bayern und ihrer Königsfamilie zu versöhnen.

Das wissenschaftliche Symposium zum 80. Geburtstag von Dr. Ludwig Schnurrer gab einer überraschend großen Zahl von Rothenburgern Einblicke in den Stand und die Methodik moderner Geschichtsforschung. Der Verein Alt-Rothenburg ist mit dieser Veranstaltung zweifelsohne ein Risiko eingegangen. Der gute Besuch der Vorträge zeigt, dass sich in und um Rothenburg doch genügend Leute befinden, die an einer seriösen Geschichtsforschung Interesse haben und zu den Wurzeln Alt-Rothenburgs vorstoßen möchten.

rs, 27.02.2007

aus: Fränkischer Anzeiger
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