Kurzführer

Topplerschlösschen (c) Foto: Jochen Ehnes, Ansbach


Renate Kallip

Topplerschlößchen Renate Kallip, Gebsattel | Kunstkreis Rothenburg ob der Tauber


Heinrich Toppler und seine Zeit

DAS TOPPLERSCHLÖSSCHEN

Das älteste bekannte „Wochenendhaus", das Topplerschlösschen, liegt im romantischen Taubertal nahe der berühmten mittelalterlichen Stadt Rothenburg ob der Tauber. Ihre Mauern und Türme, die größtenteils aus der Zeit vor 1350 stammen, säumen den Stadtkern mit seinen alten, schmucken Häusern. In diesen Mauern lebte und wirkte einst Heinrich Toppler, der dem Schlösschen seinen Namen lieh.

Heinrich Toppler und seine Zeit

Heinrich Toppler war der bedeutendste Bürgermeister der freien Reichsstadt Rothenburg. Er wurde zwischen 1345 und 1350 als Sohn des Ratsherrn Konrad Toppler in Rothenburg geboren. Das Geschlecht war seit einer Generation in der Stadt ansässig. Im Jahre 1373 erscheint Heinrich Toppler erstmals als Bürgermeister; bis 1407 hatte er dieses Amt mit Unterbrechungen inne. Er wohnte im Gebäude des heutigen Gasthauses zum „Goldenen Greifen" in der Schmiedgasse. Toppler war einer der führenden Diplomaten des Schwäbischen Städtebundes, der damals in Konflikt mit den Fürsten geraten war. In seine Lebenszeit fallen der Sieg der Städter über die Württemberger bei Reutlingen 1377, die schwere Niederlage der Städter bei Döffingen (Weil der Stadt) 1388, die Auflösung des Städtebundes 1389, die Absetzung des deutschen Königs Wenzel durch die Kurfürsten und die Wahl Rupprechts von der Pfalz zum deutschen König im Jahre 1400.

Heinrich Toppler war kein Fernhandelsherr wie die Bürgermeister der großen Handelsstädte Augsburg oder Nürnberg. Er besaß, wie alle Patrizier Rothenburgs, ausgedehnte landwirtschaftliche Güter, die es ihm ermöglichten, bürgerliche Ehrenämter ohne Entgelt auszuüben. Daneben betrieb er Großhandel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, aber Rothenburg war keine Handelsstadt.

Rothenburg war als Burgstadt vor der auf einem Bergsporn über der Tauber gelegenen „roten Burg" entstanden. Als erste Bewohner verpflichtete der staufische Burgherr treu ergebene Diener, die sog. „Ministerialen", nach Rothenburg. Sie lebten vom Ertrag verpachteter Landgüter, mit denen sie von den Königen belehnt worden waren. Die Geschichte der Stadt zeigt, dass sie gut lebten und ihren Besitz zu mehren verstanden. Nach dem Aussterben der Staufer wurde Rothenburg freie Reichsstadt. Im Jahre 1274 hat Rudolf von Habsburg der Stadt die Reichsunmittelbarkeit verliehen.

Das Aufsteigen der Städte und der Landesherren erfolgte gleichzeitig mit der Verarmung vieler Ritter, deren Besitzungen zu klein waren, um aus dem Ertrag der Landwirtschaft ein standesgemäßes Leben zu führen. Diese Ritter zogen teils in die Stadt und wurden Stadtadel, teils traten sie in den Dienst der Landesherren. Andere, die sich nicht anzupassen verstanden, sanken zu Raubrittern herab. Die beiden aufstrebenden Gruppen, Landesfürsten und Städte, beobachteten sich argwöhnisch und versuchten, ihre Rechte auf Kosten der anderen auszuweiten. Die kleinen Adeligen dienten als Kriegsvolk, das immer herbeizog, wenn Beute in Aussicht stand.

Gefährliche Gegner Rothenburgs waren die Bischöfe von Würzburg als geistliche Landesherren und die Hohenzollern als Burggrafen von Nürnberg. Wenn sich Burggraf und Bischof zusammenfanden, war die Stadt ernsthaft gefährdet. Nachdem Bischof und Burggraf in der Regel bemüht waren, die Macht des anderen zu beschneiden, musste es Ziel des Rothenburger Bürgermeisters sein, den Gegensatz aufrecht zu erhalten.

Gegen die verbündeten schwäbischen und fränkischen Landesfürsten war eine Reichsstadt allein nahezu machtlos. Zahlreiche Städte fanden sich deshalb zum Schwäbischen Städtebund zusammen. Rothenburg trat 1378 dem Bündnis bei. Für die Bedeutung Topplers zeugt seine Wahl 1388 zu einem der vier Hauptleute, die dem obersten Hauptmann, dem Grafen von Montfort, unterstanden. Heinrich Toppler befehligte die Truppen von Rothenburg, Nürnberg, Regensburg, Augsburg, Nördlingen, Dinkelsbühl, Windsheim, Schweinfurt, Weißenburg und Bopfingen. Die Streitmacht dürfte etwa 1500 Mann umfasst haben, was in der damaligen Zeit sehr viel war. Um die militärische und wirtschaftliche Kraft Rothenburgs zu mehren, kaufte die Stadt während Topplers Amtszeit von verarmten Adeligen Burgen und Güter in der Umgebung. Wie ein Landesfürst versuchte der Bürgermeister, das Gebiet der Stadt abzurunden und zu befestigen. Der auffallendste Kauf dieser Art war der Erwerb von Stadt und Herrschaft Kirchberg an der Jagst durch die drei Reichsstädte Rothenburg, Dinkelsbühl und Schwäbisch Hall 1397 und der Ausbau dieser natürlichen Festung. Gleichzeitig wurden die Befestigungsanlagen um die Stadt Rothenburg selbst erweitert und verstärkt.

Nach dem Verbot des Städtebundes auf dem Reichstag zu Eger, 1389, stand Rothenburg wieder allein. Besonders nachteilig war die Absetzung des schwachen Königs Wenzel, zu dem Heinrich Toppler in guten Beziehungen gestanden hatte, und die Wahl Rupprechts von der Pfalz zum deutschen König. Rupprecht war mit dem Burggrafen von Nürnberg verschwägert und somit dessen natürlicher Bundesgenosse. Als sich König, Burggraf und der Bischof von Würzburg, zusammenfanden, schienen Stadt und Bürgermeister Toppler am Ende zu sein. Über Rothenburg wurde von König Rupprecht 1407 die Reichsacht verhängt. Ein Heer von beutegierigen Rittern und Knechten beschoss und eroberte alle Rothenburger Burgen. Die Belagerung der Stadt selbst wurde durch einen rechtzeitigen Friedensschluss verhindert. Der für Rothenburg günstige Friede kam zustande, weil die anderen Städte einzugreifen drohten. Zudem war Rothenburg auf eine lange Belagerung vorbereitet. Das Heer der Fürsten hatte in unkluger Weise die Umgebung der Stadt derart geplündert, dass eine Versorgung des zur Belagerung notwendigen Heeres sehr schwierig geworden war. In den kritischen Tagen hatte Toppler Briefe an den abgesetzen König Wenzel nach Prag gesandt und ihn um Hilfe gebeten. Die Briefe wurden abgefangen; Toppler galt als Hochverräter.

Ein Gemeinwesen durch Jahrzehnte erfolgreich zu leiten, ohne dass Beleidigte, einige Unzufriedene und weniger Erfolgreiche auf Rache sinnen, ist nicht möglich. Ohne Zweifel hat Toppler in verschiedenen Fällen die dem Bürgermeister zustehenden Mittel rücksichtslos gebraucht und wohl auch missbraucht. Auch vor Grausamkeiten schreckte er nicht zurück. Die Auseinandersetzung zwischen der Stadt und den Fürsten bot Topplers Gegnern Gelegenheit, den „Hochverräter" zu verhaften und 1408 zu enthaupten. Möglicherweise ließ man ihn auch vor Abschluss des Gerichtsverfahrens im Kerker sterben. Das Vermögen des ehemaligen Bürgermeisters - Toppler war sehr reich - wurde eingezogen. In Heinrich Topplers Testament von 1405 ist das Topplerschlösschen erwähnt. Seinem Sohn Jakob vermachte er „das Vestlein im Rosental mit der Fischgruben darumb und mit des Weingartmanns Haus, dazu den Weingarten ob dem Rosental".

Toppler wurde in der Topplerkapelle der Jakobskirche beigesetzt. Dort ist sein Grabstein zu sehen. Er trägt eine lateinische Umschrift, die ins Deutsche übersetzt lautet: „Hier ruht der ehrenwerte Mann Heinrich Toppler, Bürger dieser Stadt. Er starb im Jahre 1408, am Tag vor Fronleichnam. Seine Seele ruhe in Frieden."



Der Kaufvertrag Topplers mit der Stadt

Eine alte Urkunde im Archiv der Reichsstadt berichtet vom Kauf des Bauplatzes. Sie lautet in heute übliches Deutsch übertragen:

„Wir, die Bürgermeister, sowie beide Räte, der Innere und der Äußere, schließen im Namen der Stadt folgenden Vertrag: Im ständigen Bemühen, unserer Stadt in allen Dingen zu nützen und das Gemeinwesen nach besten Kräften vor Schaden und Unheil zu bewahren, halten wir es für nützlich, die Mühlen im Taubertal besser zu sichern und zu beschirmen. Wir übereignen deshalb ohne Gegenstimmen in unserem Namen und dem unserer Nachkommen unserem lieben Ratsgesellen Heinrich Toppler und seinen Erben kraft dieses Briefs einen Hof bei der Fuchsmühle, durch Gräben eingegrenzt, und den umliegenden Baumgarten. Der Erwerber verpflichtet sich, auf dem Grundstück einen zweigeschossigen steinernen Unterbau und darauf ein Haus zu errichten. Er und seine Erben sollen den Besitz allezeit nutzen. Falls sie Haus und Hof verkaufen wollen, dürfen diese nur an einen Bürger zu Rothenburg veräußert werden. Wenn das Anwesen eines Tages durch Erbschaft in den Besitz eines Fremden gelangen sollte, der das Bürgerrecht zu Rothenburg nicht besitzt und hier nicht wohnt, muss er es einem ortsansässigen Bürger verkaufen."

Ein glücklicherweise noch vorhandener Plan mit dem Grundriss des Schlosses, dem umgebenden Teich, einer Wasserleitung, den Rädern der unterhalb liegenden Fuchsmühle und liebevoll gezeichneter Bepflanzung von Tobias Zahnleit(n)er (um 1750 gef.) ist erhalten geblieben. Maurer Tob. Zahnleit(n)er war 1743 Besitzer des Topplerschlösschens (Bürgerbuch B-42, S. 319). Der Fischteich wurde nicht aus der Tauber, sondern von einer höher liegenden Quelle gespeist. Das Wasser für den Antrieb der drei unterschlächtigen Wasserräder - sie wurden später durch ein großes Wasserrad ersetzt - an der heute noch bestehenden Mühle brachte der in geringem Abstand am Schlösschen vorbeifließende Mühlbach, eine Ableitung der Tauber. Da dieser höher liegt als der das Schloss umgebende See, wurde der Abfluss des Sees unter dem Mühlbach entlang geführt. Die etwa 25 m lange Leitung mündet im Wasserbau der Mühle in den dort tiefer verlaufenden Bach.


Topplerschlößchen Postkarte von 1915


Gang durch das Schlösschens

Eine steinerne Brücke überspannt den gras- und blumenbewachsenen Graben. Sie führt zu dem von den heutigen Eigentümern, der Familie Boas, 1976/77 renovierten Schlösschen.

Vier Steinplatten über dem Tor sind mit den Wappen ehemaliger Schlossherren geschmückt. Von links nach rechts folgen aufeinander die Wappen des G. Daniel von Staudt, des Johann Christoph Schmidt von Eyssenberg auf Baldersheim, seiner Gemahlin Rahel Elisabetha, einer geborenen von Seckendorff, beide aus dem Jahre 1677, und das Wappen des B. Winterbach.



Die links von der Türe eingelassene Tafel gibt Auskunft über Bauzeit und Bauherr: „Dies Haus mit dem Graben hat der ehrbare Mann Heinrich Toppler, zur Zeit Bürgermeister von Rothenburg, auf seine Kosten und mit eigener Arbeit erbaut. Das geschah in dem Jahre, als der beschwerliche Krieg zwischen den Fürsten und den Adeligen auf einer Seite, den Städten auf der anderen Seite in deutschen Landen geführt worden ist. Das Haus soll Rosental heißen. Im Jahre des Herrn 1388, und in dem darauf folgenden Jahr." Unten ist das Wappen Topplers mit zwei Würfeln zu sehen. Die Würfel tragen fünf und sechs Augen.


Tafel am Topplerschlößchen Foto: Dr. H. Möhring, Reichsstadtmuseum Rothenburg ob der Tauber

In den beiden Löchern oberhalb des Tores sind noch zwei Rollen erkennbar, über die je ein Seil der früher vorhandenen hölzernen Zugbrücke lief. Der Torflügel hängt nicht, wie heute üblich, in Angeln aus Eisen; er ist in mittelalterlichen Steinangeln gelagert.


Wir betreten den turmartigen Unterbau. Der kleine Raum wird von dem durch das offene Tor fallende Licht erhellt. Links führt eine schmale, hölzerne Treppe nach oben, im Hintergrund stehen zwei alte Truhen. Etwa in der Mitte des Raums ist an der Unterseite des Deckenbalkens eine kreisrunde Vertiefung zu sehen. Diese hat nur einen Sinn, wenn sie als Lager für die senkrecht stehende Welle eines Göpels gedient hat. Auf dem Fußboden muss eine ähnliche Halterung gewesen sein. Die Welle besaß wohl zwei Öffnungen zum Durchstecken von Stangen, mit denen sie gedreht werden konnte.

Ein Seil der Zugbrücke war an dieser Welle befestigt. Beim Hochziehen wurde es aufgerollt, beim Ablassen heruntergespult. Um das Abheben zu erleichtern und zu verhindern, dass die Männer am Göpel beim Ablassen der Brücke oder beim Loslassen während des Ziehens die Herrschaft über die sich senkende Brücke und die immer rascher umlaufende Welle verloren, hing am zweiten Seil ein Gegengewicht aus Stein mit einem eingelassenen Eisenring, das heute noch hinter der Türe steht. Da ein Gegengewicht nur senkrecht zwischen Decke und Fußboden laufen kann, musste das durch den Schlitz in der Wand waagerecht geführte Seil umgelenkt werden: Eine senkrecht stehende Umlenkrolle war erforderlich. Auch das erste Seil war in Richtung auf die Welle in Raummitte umzulenken; dies erreichte man mit einer waagerecht liegenden Umlenkrolle. Wenn ein Besucher in den Raum tritt und zur Türe zurückblickt, erkennt er in den Wänden links und rechts die Spuren nachlässig zugeputzter Löcher. In diesen Löchern ruhte ein unter der Decke querliegender Balken, auf dem beide Rollen befestigt waren. Das Gegengewicht dürfte hinter der Türe am richtigen Platz stehen, denn es hätte auf der anderen Seite beim Gang zur Treppe gehindert. Die verschlossene Türe war durch ein Querholz zusätzlich gesichert. Es konnte von links nach rechts aus einer Höhlung in der Wand herausgezogen und vollständig zurückgeschoben werden.


Der Eingang zum Topplerschlößchen Foto: Jochen Ehnes

Die Treppe führt in das zweite, nur von schmalen Fensterchen wenig erhellte Geschoß des steinernen Unterbaus. Bemerkenswert ist eine dort abgestellte Reisetruhe. - Mit viel Geduld und gutem Geschmack haben die jetzigen Eigentümer mit alten Möbeln und Geräten aus verschiedenen Zeiten die Einrichtung ergänzt. Die Atmosphäre zaubert ein Stück früheres Lebensgefühl: Man wähnt sich in vergangenen Zeiten.


Im 1. Wohngeschoß verdient die kleine Küche besondere Beachtung. Der Boden und die offene Feuerstelle sind mit Backsteinplatten belegt. Ein großer Rauchfang lässt den Raum noch enger erscheinen. Alte Backformen und altes Geschirr, liebevoll angeordnet, vermitteln den Eindruck einer jederzeit gebrauchsfähigen mittelalterlichen Küche. Eine Blechtüre in der Wand zur Rechten diente für die Beheizung des Kachelofens im Wohnzimmer.


Im Gang zum Wohnraum sieht man links in den verputzten Feldern der Fachwerkwand Malereien aus der Bauzeit. Dargestellt sind stilisierte Pflanzen.


Ein herrlicher Ofen aus Tonkacheln ziert das von vier mit Butzenscheiben verglasten Fenstern erhellte Wohnzimmer. Der Ofen dürfte um 1710 entstanden sein. Es handelt sich um eine bäuerliche Arbeit mit barocken Schmuckformen. An die Ecken des Aufsatzes hat der Töpfer zwei gekrönte Frauengestalten angeformt. - Auffallend sind die breiten Dielen im Fußboden mit deutlich sichtbaren Ästen. Diese Dielenböden finden sich mit Ausnahme der Küche in allen Räumen des Schlösschens. Alte Möbel, altes Geschirr und alle Waffen schmücken das Zimmer. Die flachen Butzenscheiben wurden, wie die eingeritzte Jahreszahl ausweist, vor 1763 gefertigt.

Neben dem Aufgang zum 2. Wohnstockwerk fällt der Blick auf einen schönen Bauernschrank. Rechts steht ein Schreibpult, darauf ein Behälter aus Zinn mit Tintenfass, Sandfass und Federkiel. Links im Schlafraum musste ein Teil der Außenwand erneuert werden. Am erhaltenen Teil sind einige Felder der Fachwerkwand wieder mit Malerei aus der Bauzeit geschmückt. Die rote Farbe des Holzes beweist, dass das Fachwerk ursprünglich innen und außen sichtbar war.


Das Wohnzimmer ist wieder besonders reich ausgestattet. Wände und Decken tragen Holzverkleidung, in die kleine Wandschränke eingelassen sind. Die Nische für eine Heiligenfigur mit Renaissancerahmen muss bei einem Umbau angebracht worden sein. Die klassizistische Bemalung ist vorwiegend grün gehalten. Ein nach dem früheren Muster und den einstigen Farben gesticktes Tuch schmückt den Stuhl am Fenster.

Im Nebenraum führt die Treppe zum Dachstuhl. Ein alter Kanonenofen fällt besonders auf. Auch in dieser Kammer liegt das Fachwerk offen, nur die Felder sind weiß verputzt.


Wohnzimmer

Topplerschlösschen Aquarell eines Gastes des Gasthof "Greifen".


Beschreibung des Bauwerks

Beschreibung des Bauwerks

Das Topplerschlösschen ist teils Wehrturm, teils Wohnhaus. Als Wehrturm stand es wie die Wasserschlösser inmitten eines künstlichen Sees, der längst abgelassen worden ist. Der untere, zweigeschossige, aus grob behauenen Steinen erbaute Teil mit dicken Wänden hat Wehrcharakter. Oben folgen zwei vorkragende Wohngeschosse. Die aus Eichenholz erbauten, teils mit vermörtelten Steinen, teils mit Flechtwerk und Lehm gefüllten Fachwerkwände sind dünn und boten keinen nennenswerten Schutz. Unter dem Dach ist überwiegend Nadelholz verarbeitet worden. Die billigere Holzart kann aber auch bei Erneuerungsarbeiten eingesetzt worden sein.

Die Grundrisse
Der Grundriss aller vier Stockwerke ist quadratisch. Der Steinturm misst außen 16 x 16 Fuß, innen ist er abgesetzt. Auf dem Absatz liegt das Gebälk für den Boden des ersten Obergeschosses. Der Fachwerkaufbau springt zweimal vor. Das erste Fachwerkgeschoß kragt auf allen Seiten um 1,5 Fuß aus, das zweite um 0,25 Fuß. Die größte Breite misst demnach 16 + 3 + 0,5 = 19,5 Fuß. Benutzt ist der im Bauwesen sehr häufig verwendete Maurerfuß oder karolingische Fuß von etwa 33,3 cm Länge. Eine Einheit des in den Zeichnungen eingetragenen Maßstabs entspricht drei Fuß.

Erdgeschoß:
Quadratseiten außen: 16 Fuß zu je 33,8 cm - oder 10 Ellen zu je 54 cm (5,40 m)
Quadratseiten innen: 9 Fuß zu je 33,3 cm (3,00 m) Wanddicke: 3,5 Fuß zu je 34,3 cm (1,20 m)

1. Obergeschoß:
Quadratseiten außen: 16 Fuß zu je 33,8 cm - oder 10 Ellen zu je 54 cm (5,40 m)
Quadratseiten innen: 11 Fuß zu je 32,7 cm (3,60 m) Wanddicke: 2,5 Fuß zu je 36,0 cm (0,90 m)

2. Obergeschoß (Fachwerk):
Quadratseiten außen: 19 Fuß zu je 33,4 cm (6,35 m) Quadratseiten innen: 18 Fuß zu je 33,3 cm (6,00 m) Wanddicke: 0,5 Fuß

3. Obergeschoß (Fachwerk):
Quadratseite außen: 19,5 Fuß zu je 33,6 cm (6,55 m) Quadratseite innen: 18,5 Fuß zu je 33,5 cm (6,20 m) Wanddicke: 0,5 Fuß


Die Höhen in Aufriss und Schnitt
Abgebildet ist ein Schnitt durch den Turm, quer zum First. Als Grundlage der Untersuchung dient die größte Breite von 19,5 Fuß (6,55 m). Auf der untersten Gebälklage beginnt eine Triangulatur des gleichseitigen Dreiecks. Dreieckseite ist die größte Breite. Alle eingezeichneten Linien verlaufen unter 30° oder 60° zur Waagrechten. Mit dieser Figur bestimmte der entwerfende Meister die Höhe des Dachfirstes und die Oberkante des Kehlgebälks im Dachstuhl. Die übrigen Höhen im Fachwerkteil sind mit einem Maßstab abgemessen. Die Höhe des ersten Wohnstockwerks wählte der Meister mit sieben Fuß, einschließlich der Balkenhöhe, die Höhe des Dachgeschosses unter dem Kehlgebälk mit sechs Fuß, Balkenhöhe eingeschlossen. Nach der Wahl dieser Maße war die Lage der Dachtraufe bestimmt. Die Höhe des zweiten Wohnstockwerks blieb als Rest nach Abzug der übrigen Stockwerkshöhen.

Die Triangulatur diente aber nicht allein zum Entwurf des Fachwerkteils. Auch Höhen am Steinturm wurden mit ihrer Hilfe bestimmt. Der auffallende Absatz im Turmmauerwerk und die Lage des Balkenfußbodens im Erdgeschoß sind mit gleichseitigen Dreiecken ermittelt. Die Höhe des Steinturms über den Grundmauern dürfte dagegen zu 21 Fuß gemessen worden sein.

Grundrisse des Topplerschlösschens (von oben nach unten):
3. Obergeschoß (Fachwerk)
2. Obergeschoß (Fachwerk)
1. Obergeschoß (Stein)
Erdgeschoß (Stein)


Rechts: Topplerschlösschen, Schnitt
Unten links: Topplerschlösschen, Ansicht von Norden
Unten rechts: Topplerschlösschen, Ansicht von Osten
Höhe des Fechwerkteils bis nun Dachfirst: 5 - 6,55 y/3/6 = 9,45 m, vermessen 9,45 m
Höhe des Geschosses im Dachstock: 6 Fuß zu je 33,3 cm (2,00 m)
Höhe des unteren Wohnstockwerks 7 Fuß zu je 33,3 cm (2,33 m)
Höhe der beiden Geschosse im Steinturm: 6,55 ~S/2 = 5,68 m, gemessen 5,75 m

Bemerkenswert an dieser Untersuchung ist weniger die Beobachtung, dass die im mittelalterlichen Bauwesen allgemein übliche Triangualtur benützt worden ist, sondern dass an einem vom Bürgermeister in Auftrag gegebenen Bauwerk nicht der in Rothenburg übliche Fuß von 30,5 cm Länge verwendet wurde, sondern der karolingische Fuß. Auch die beiden anderen Rothenburger Maße, die Elle mit 58,7 cm und die Rute oder das Klafter mit 1,80 m, finden sich nicht am Bauwerk Die Maße wurden an den Normmaßen, die sich am gotischen Rathaus befinden, abgenommen Der karolingische Fuß dürfte als Handwerkermaß die neben und unabhängig von den sehr unterschiedlichen Füßen einzelner Städte im Bauwesen verwendete Maßeinheit gewesen sein Die in Frankreich für ein bis 1768 verbindliches Klafter von 1,9603 m Länge übliche Bezeichnung "Toise des Macons" bestätigt diese Annahme. Der Hinweis sollte durch weitere Untersuchungen auf breiter Grundlage geprüft werden.


Topplerschlößchen im Taubertal Ansichtskarte o. J.


Bedeutung

Bedeutung
Das Topplerschlösschen bietet für jeden Geschmack etwas. Den romantisch veranlagten Besucher gefällt die reizvolle Lage und die alte Einrichtung. Geschichtlich und kulturell Interessierte entnehmen aus dem Leben des bedeutenden Bürgermeisters Toppler Wissenswertes über die früheren politischen Verhältnisse, die Hintergründe des Städtekriegs und die Lebensweise der vornehmen Familien. Der kleine, wehrhafte Bau ist mit den turmartigen Wohngebäuden in unseren Reichsstädten und den ländlichen Wasserburgen eng verwandt. Technisch Interessierte erfahren Einzelheiten über den Bau und die Bedienung einer Zugbrücke, was nur an wenigen Stellen möglich ist. Der Liebhaber von Kunst und Architektur bewundert das älteste Wochenendhaus. Die Maßuntersuchung zeigt, dass ein vom Bürgermeister Rothenburgs in Auftrag gegebenes Gebäude nicht mit dem Rothenburger Fuß geplant werden musste, sondern auch mit dem karolingischen Fuß gebaut werden durfte, was für dessen allgemeine Bedeutung spricht.

Gudrun und Albrecht Kottmann


Literatur- und Fotonachweis

Literatur:

Weigel, W.

Rothenburger Chronik, Rothenburg 1923.

Schaeff-Scheefen, G.-H.
Heinrich Toppler, der große Würfler,
Bad Mergentheim 1939

Schreckenbach, Paul
Der König von Rothenburg, München 1975

Schmidt, H.
Heinrich Toppler - Leben und Wirken, in: „Fränkischer Feierabend“, 1963/71


Fotos:
S. 1, 5 Heinz Boas, Rothenburg o.d.T., alle anderen Aufnahmen Verlag Schnell & Steiner/Kurt Gramer, Bietigheim-Bissingen


Zeichnungen
S. 2, 12 und 13 Prof. Dr.-Ing. A. Kottmann, Stuttgart

Schnell, Kunstführer Nr 1170 (von 1979),
Zweite Auflage 1991
VERLAG SCHNELL & STEINER GMBH - MÜNCHEN UND ZÜRICH
D - 8000 München 65, Postfach 112

Druck: Erhardi Druck GmbH Regensburg


Quelle

Schnell
Kunstführer Nr 1170
(von 1979)
Zweite Auflage 1991

VERLAG SCHNELL & STEINER GMBH - MÜNCHEN UND ZÜRICH
D - 8000 München 65, Postfach 112

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Durch Zufall konnte der jetzige Verleger ermittelt werden.
Vielen Dank an Herrn Fink für die Genehmigung zur Veröffentlichung.

Zur Homepage des Kunstverlag Josef Fink.


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