Eine Reichsstadt igelt sich ein

Eine Reichsstadt igelt sich ein

Unter Bürgermeister Heinrich Toppler erreichte das damals fast 5000 Einwohner starke Rothenburg ob der Tauber den Zenit seiner Geschichte. Durch den Erwerb zahlreicher verschuldeter Adelsherrschaften hatte er das reichsstädtische Territorium innerhalb zweier Jahrzehnte energisch ausgeweitet. Militärisch behauptete sich die Reichsstadt unter Topplers Führung 1407 gegen das Belagerungsheer des Nürnberger Burggrafen, des Würzburger Bischofs und eines Adelsaufgebots, von dem noch knapp 300 Fehdebriefe im Stadtarchiv liegen. Erhalten blieb damals auch das reichsstädtische Territorium, obwohl Rothenburg seine frisch erworbenen Burgen schleifen musste. Nachdem Topplers Gegner im Rat den selbstherrlichen Stadtregenten im Kerker hatten verschmachten lassen, igelte Rothenburg sich ein, hat es Geschichte nur noch erlitten.

Charakteristisch dafür ist die Rothenburger Landhege, gelegentlich auch Landhecke genannt, eine sechzig Kilometer lange Grenzsicherung, die immer wieder mit der Landwehr verwechselt wird. Landwehr wurde das von der Landhege umschlossene reichsstädtische Territorium genannt. Es umfasste gut 400 Quadratkilometer mit 183 Dörfern, Weilern, Höfen, mit ehemals 40 Burgen und festen Häusern sowie zuletzt 14 000 Einwohnern, ungerechnet die Stadtbürger. An Umfang vergleichbar waren nur noch die Hoheitsgebiete von Nürnberg und Ulm.

Die Landhege bestand aus drei parallelen Erdwällen, die zwei dazwischen laufende, bis zu zweieinhalb Meter breite Gräben säumten. Gelegentlich wurden Bachläufe und Weiher einbezogen. Auf der Mitte des erhöhten inneren Hauptwalls lief ein Reitweg. Hier trabten die Hegreiter als Kontrolleure. Die Wälle und Böschungen waren mit dicht verflochtenen Hecken aus niedrig gehaltenen Eichen, Hainbuchen, Weißdorn, Hasel, Espe und Weiden bestanden


Karte der Rothenburger Landwehr


Etwa zwanzig Meter breit war diese Sicherungslinie, die sich streckenweise, wenn auch abgeflacht, noch immer im Gelände abzeichnet. Nicht nur als lebendig grünendes Denkmal der Historie, auch als Windschutzhecke und Arche für Flora und Fauna in der ausgeräumten Feldflur haben die immer wieder auf den Stock gesetzten Gehölzstreifen der Landhege bis heute ihre Bedeutung gewahrt. "Wer in die Hege haut, dem wird die Hand abgehaut!", hieß es früher. Die Flurbereinigung der frühen Jahre war da weniger zimperlich.

Die Landhege entstand zwischen 1420 und 1480 und schloss das reichsstädtische Territorium gegen Norden, Westen und Süden ein; ausgespart blieben im Westen nur die vorgeschobenen Landwehrdörfer Oberstetten, Wildentierbach und Hachtel. Gegen Osten, gegen die damals noch recht unwegsame Frankenhöhe fehlte eine ähnlich breit angelegte durchgehende Sicherungslinie. Hier hat man sich, wie in den Waldblöcken, wohl mit Heggraben, Dornenhecke und Verhau begnügt; erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts einigte man sich gen Osten mit der Markgrafschaft Ansbach auf eine exakt abgesteinte Fraischgrenze, also auf den jeweiligen Bezirk der hohen Gerichtsbarkeit.

Die Bauern der Landwehr werden die Verluste an bebaubarem Boden durch die "Heiich", wie die Landhege mundartlich genannt wird, leicht verschmerzt haben. In den Jahrzehnten vor dem Bau hatten sie wiederholt darum gebeten, "sich eingraben zu lassen, damit sie zu Vehdezeiten nicht also balden von allem Lumpengesindlein überfallen würdten". Gegen größere Heerhaufen bot die Landhege keinen Schutz, wohl aber gegen überraschende Einfälle des benachbarten Adels und gegen Marodeure. 1507 verlieh Kaiser Maximilian I. der Landhege den Status einer Hoheitsgrenze.


vom 21. Februar 2003
aus: Bayerische Staatszeitung


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